Gitarre und Bass richtig einstellen und stimmen

Das Wichtigste bei Saiten-Instrumenten ist die Stimmung und dass sie sich hält. Es gibt Gitarren und Bässe, die sich nie groß verstimmen und andere, die man nur schief anschaut und schon ist alles verbogen. Was kann ich tun, damit sich die Stimmung länger hält, als nur einen halben Song ? Ist es die Marke des Instruments, die Wahl der Saiten, die Spielweise, oder alles zusammen ? Mein Freund Henrik Schwaninger hat auf all das eine Antwort.  Er weiß nicht nur, wie man eine Gitarre stimmt, er baut sie sogar selbst !!! Henrik schnitzte 100 Jahre lang Bässe und Gitarren bei der Instrumentenschmiede Sandberg und ist Tour-Profi-Gitarren-Stimmer auf den Bühnen von Beatsteaks, Madsen, Lady Gaga, Polarkreis 18, Guano Apes, Rammstein, Such a Surge…

Interview : Tom / Fotos: Tom und wahrscheinlich Antek

Henrik, warum verstimmen sich denn dauernd die Gitarren ?

H: Jeder der mal bei der Sendung mit der Maus die Folge über Bimetalle gesehen hat, weiß warum. Wärme dehnt Metalle aus und Kälte zieht sie zusammen. Und Saiten bei E-Bässen und Gitarren sind ja aus Metall. Außerdem wirken zusätzlichTemperatur und Luftfeuchtigkeitsunterschiede auf das Holz…

henrik_beiderarbeit12tägliches Saitenwechseln und rumschrauben lohnt sich…. am Abend auf der Bühne hält das Ding

Wie bitte? Luftfeuchtigkeit und Temperatur spielen auch eine Rolle ?

H: Na klar! Wie gesagt! Hierzu ein Beispiel aus dem Touralltag: Die Gitarre kommt aus dem Koffer, nachdem sie eine Winternacht im Bus/Hänger/Truck gelegen hat. Sie ist jetzt verstimmt, obwohl sie am Abend vorher nach dem heißen und schweiß-treibenden Konzert dort reingelegt wurde und perfekt „in tune“ war. Was war passiert ? Saiten und Holz haben sich bewegt -nix passt mehr! Dann kommt die Gitarre im Laufe des Tages allmählich auf Umgebungstemperatur, wird gestimmt und alles ist wieder gut. Abends stehen tausend Leute im Club und heizen den Raum auf. Das Konzert geht los und hundert Lampen gehen an. Wieder ein gewaltiger Temperaturanstieg. Nicht genug damit, denn während der Show wird es immer noch heißer und die Gitarrensaiten dehnen sich… also muss regelmäßig nachgestimmt werden. Nach dem Konzert geht’s wieder in den Koffer, in den Truck, durch die kalte Nacht und das ganze Spielchen geht von vorne los. Auf Festivals ist es oft noch schlimmer weil unter freiem Himmel der Temperaturunterschied noch extremer ist. Nach Sonne und Hitze am Tag stellt sich dann Abends, pünktlich zum Konzert ein Temperatursturz ein und es wird schlagartig kälter. Wenn die Band auf die Bühne geht, tritt sie mit dem Instrument quasi von der Kälte neben der Bühne in die Wärme der Scheinwerfer. Der Musiker spielt und schwitzt und wärmt noch zusätzlich… da werden die Saiten gerne mal zu Spaghettis. Ein Albtraum!

Was ist mit der Mechanik, die die Saite hält ?

H: Mechanische Faktoren, die für ein ständiges Verstimmen sorgen sind schlecht gefeilte Sättel, in denen die Saiten klemmen, zu lockere Mechaniken, die dem Saitenzug nicht richtig Stand halten und im Laufe des Spielens nachgeben und die Saitenspannung lockern. Und natürlich generell alle locker sitzenden Schrauben und so weiter, die die Saiten nachrutschen lassen…Es sollte also generell alles an Mechanik möglichst straff, stramm und fest sein. Das ist alles, was man selber tun kann-gegen die äußeren Bedingungen (Temperaturunterschiede) usw. kann man halt nix machen….

henrik_beiderarbeit15gut gefeilte Brücke und die Saite hat einen Grund weniger sich zu verstimmen

Du weißt das ja sozusagen „ab Werk“. Gibt es „stimm-stabile“ Holzarten, die ihr verwendet ?

H: Nur bedingt. Natürlich, ein hartes Holz wie Canadian Hardrock Maple eignet sich besser für einen Hals als z.B. weiche Erle, da es weniger temperaturanfällig ist. Aber Holz wie auch Metall ist immer Abhängig von der Umgebung und „arbeitet“…

Kann ich meine Gitarre selbst bundrein machen und wie geht das ?

H: Ja, das kann man natürlich und ein guter Musiker sollte auch selber sein Instrument einstellen können. Erklärt wird das bei  www.sandberg-guitars.de .Im Bereich download unter „general guide to your guitar“ findet sich auch was zum Thema „Hals einstellen“ und nützlichen Tips beim Saitenaufziehen…

henrik_beiderarbeit10schön dehnen und nachstimmen, dann hält die Stimmung

Was muss ich beachten bei tiefer gestimmter Gitarre/Bass? Manche Bands wollen dadurch „härter“ klingen, erreichen aber oft das Gegenteil. Druck geht verloren und der Sound wirkt lasch…

H: Generell gilt, je tiefer die Stimmung, desto dicker sollten die Saiten sein. Welche Stärke da die richtige ist, hängt natürlich auch immer vom Instrument und der Spielweise ab. Das muss jeder für sich selbst herausfinden. Bei einer sehr tiefen Stimmung wie z.b. A als tiefste Saite beim Bass, reicht dem einen eine 130er Saite, andere bevorzugen 135 oder 140. Irgendwann setzt die Physik jedoch Grenzen für einen straffen Ton. Dann muss man eventuell die Spielweise ändern. Z.B. zarteres Fingerspiel statt härtestem Plektrum- Anschlag. Das ist dann wiederum sehr individuell, da gibt es keine festen Regeln oder Parameter. Meiner Meinung nach ist aber zum Beispiel „String Through“ (Saiten durch den Korpus gefühtrt) eine super Sache, um grade bei einer tiefen Stimmung die Saitenspannung zu erhöhen. Dabei hilft auch eine gewinkelte Kopfplatte, bei der der Andruck der Saiten am Sattel oder Nullbund höher ist. Welche Kombination aus alldem da die  richtige ist, kann aber nur jeder durch reichlich Probieren für sich selbst herausfinden…

henrik_beiderarbeit14bei Kapitän -Ordentlich siehts gut aus…Im Gitarrenschrank stehen die Schätze sicher

Wer billig kauft, kauft zweimal ?

H: Jein! Wir haben auch schon stolze Besitzer einer 4000 Euro Gitarre bei uns in der Werkstatt gehabt, denen wir leider mitteilen mussten, dass bei ihrem teuren Instrument so ziehmlich alles im Argen ist. Wir mussten zunächst alle Bünde rausreißen, dann das Griffbrett abrichten und neu Bundieren. Erst danach konnte vernünftig die Saitenlage eingestellt werden. Dann lies sich Gitarre plötzlich stimmen, und ohne Schnarren spielen.  Andererseits gibt es Wahnsinns-Musiker, die auch aus der billigsten Gurke einen super Ton herausholen. Viel kommt halt eben auch aus den Fingern. Qualität hängt also nicht ausschließlich vom Preis ab, sondern davon, wie ein Instrument eingestellt ist und wie man spielt. Jedoch sorgt bei Anfängern ein schlecht eingestelltes Instrument schnell für Verdruss (spielt sich schlecht, die Akkorde lassen sich schwer greifen). Hier kann man mit ein paar mehr oder weniger schweren Eingriffen Abhilfe schaffen (Halskrümmung und Saitenlage richtig einstellen, Oktavreinheit…). Bei extrem günstigen Sachen (99 euro Akustikgitarre aus dem Kaufhaus zu Weihnachten) wird man da allerdings öfter an Grenzen stoßen als bei Instrumenten der 500 bis 600 Euro Kategorie.
Nochmal meine Meinung dazu: Unbedingt selbst in ein Fachgeschäft gehen und ausprobieren. Die Instrumente in die Hand nehmen und fühlen! Nicht irgendwo bestellen weils günstig ist. Nur so kann der jeweilige Spieler entscheiden, welches Instrument sich gut anfühlt. Ich hatte mal einen sehr teuren Markenbass. Mit dem bin ich aber nicht klar gekommen, weil er mir zu doll geschwungen hat. Aber der Typ, der ihn mir schließlich abgekauft hat, war genau deswegen total begeistert.  Endlich ein Bass der richtig schwingt!!! Soviel dazu…